11.11.2022 - Schwäbische Zeitung - Christian Reichl und Simon Schwörer
Pflegeeinrichtungen befürchten schlechtere Versorgung
Nach der Schließung des Klinikstandorts Laupheim warnen Pflegeheimbetreiber vor den Konsequenzen
Sowohl das Laupheimer Zentrum für Älterenmedizin als auch das Pflegeheim Laupheim machen zum Jahresende dicht: Wie wirkt sich das auf die Versorgungssituation für ältere Menschen und Pflegebedürftige aus? Betreiber von Pflegeheimen in Laupheim und in Schwendi befürchten eine deutliche Verschlechterung.
Die angekündigte Schließung des Zentrums für Älterenmedizin (ZÄLB) blieb nicht folgenlos: Rund eine Woche nachdem die Sana Kliniken AG das endgültige Aus für den Klinikstandort verkündete, zog die St. Elisabeth gGmbH nach und erklärte, dass es für sie nicht möglich sei, das im Krankenhaus untergebrachte Pflegeheim Laupheim weiterzubetreiben. Als Grund nannte die Betreiberin den Wegfall der Infrastruktur des Krankenhauses sowie Personalmangel in der Branche. Wegen fehlenden Fachkräften sei es seit 2021 nicht mehr gelungen, das Pflegeheim auszulasten. Das habe sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit ausgewirkt.
Dass die St.-Elisabeth-Stiftung Konsequenzen zieht und ihr Laupheimer Pflegeheim zum Jahresende schließt, hält Bettina Michelis, Geschäftsführerin des Seniorenzentrums Laupheim, für „absolut nachvollziehbar“. Dem gesamten Sektor fehle es an Personal - und zwar in allen Bereichen. Egal ob in der Betreuung, Hauswirtschaft, ambulanten oder stationären Bereich. „Das ist kein neues Phänomen.“ Auch Roswitha Ruf, Geschäftsführerin des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in der Region Oberschwaben Nord, sagt: „Alle Träger im Gesundheitswesen haben momentan mit denselben Herausforderungen zu kämpfen.“ Explodierende Kosten könnten mit den Einnahmen nicht aufgefangen werden, hinzu komme der akute Fachkräftemangel.
Ein vorzeitiges Aufgeben sei aber keine Option für den ASB, der in der Region stationäre, teilstationäre und ambulante Pflegeangebote betreibt. Denn die hohe Nachfrage nach medizinischen und pflegerischen Angeboten könne schon lange nicht mehr gedeckt werden, so Ruf. „Mir ist es daher ein Anliegen, den älteren und pflegebedürftigen Menschen zur kritischen Lage der medizinischen Versorgung eine Stimme zu verleihen.“
Dabei ist das Problem nicht neu. Die demografische Entwicklung sei schon im Oktober 2018 als eines der drängenden Probleme erkannt worden, als der Biberacher Kreistag und der Laupheimer Gemeinderat der Gründung des ZÄLB zustimmten, so Roswitha Ruf (Foto: privat). Das hielt sie auch für sinnvoll, denn: „Die Erkrankungen, die im höheren Alter zu krisenhaften Situationen führen, sind oft dem Fachgebiet der inneren Medizin zuzuordnen“, sagt Ruf. Dazu gehörten zum Beispiel Herzprobleme, Blutdruck- und Blutzuckerentgleisungen sowie unklare Schmerzen in Bauch und Brustkorb. „Diese krisenhaften Zustände konnten bisher durch die Abteilung internistische Notaufnahme und innere Medizin im Zentrum für Älterenmedizin in Laupheim ressourcenschonend für alle Beteiligten gut aufgefangen werden.“ Durch den Wegfall des ZÄLB befürchtet die ASB-Geschäftsführerin, dass sich die medizinische Versorgung für ältere Menschen verschlechtern wird.
Davon ist auch Bettina Michelis überzeugt. Dabei hatte auch sie mit dem ZÄLB die Erwartung verbunden, dass dort ältere Menschen gut versorgt werden könnten. „Für uns als Pflegeheim ist die Schließung natürlich enttäuschend. Denn schon heute ist es so, dass Ärzte oder Sanitäter von einer Klinik zur nächsten telefonieren müssen, um einen Platz für unsere Bewohnerinnen und Bewohner im Krankenhaus zu finden“, so Michelis. Und dass die Biberacher Klinik den Wegfall des Laupheimer Krankenhauses kompensieren kann, glaubt die Geschäftsführerin nicht: „Das wird nie im Leben von Biberach aufgefangen.“
Die Versorgungssituation werde sich „definitiv verschlechtern“, glaubt Bettina Michelis (Foto: privat): „Allein schon aufgrund der längeren Transportwege, wenn sie statt nach Laupheim bis nach Biberach ins Krankenhaus fahren müssen.“ Außerdem befürchtet sie, dass ältere Patienten weniger Besuch bekommen könnten, etwa weil ebenso betagte Angehörige aus Laupheim nicht mobil genug seien, um längere Strecken zurückzulegen. „Dabei ist oftmals der soziale Kontakt einer der wichtigsten Genesungsfaktoren.“
Ruf betont, besonders die älteren und pflegebedürftigen Menschen seien auf die wohnortnahe Versorgung angewiesen, weil diese häufig nicht mehr mit dem Auto fahren könnten. Deshalb rechnet Ruf damit, dass die Zahl der Krankentransporte und Rettungstransporte steigen wird. Die Fahrt nach Biberach sei aber „zeitaufwendig, teuer, und belastend“ für ältere Menschen. „Eine Überlastung im Krankenhaustransport und Rettungsdienst ist absehbar“, ist sich Ruf sicher. Die Krankenhausschließung treibt auch das Deutsche Rote Kreuz um: „Sowohl beim DRK, als auch beim Bereichsausschuss, der für den Rettungsdienstbereich zuständig ist, ist die Thematik angekommen und wir beschäftigen uns mit den Auswirkungen“, sagt Michael Mutschler, Geschäftsführer des DRK-Rettungsdiensts im Kreis Biberach.
Bettina Michelis vom Seniorenzentrum Laupheim glaubt auch, dass die Schließung, die Arbeit des Rettungsdienstes beeinträchtigen könnte. Ob sich der Wegfall des ZÄLB allerdings auch auf die pflegerische Arbeit in ihrem Seniorenheim negativ auswirkt, kann sie noch nicht abschätzen. „Wenn die Krankenhäuser zum Beispiel Rückfragen an uns haben, funktioniert das sowohl mit Laupheim als auch mit Biberach. Das ist unabhängig vom Standort.“ Schwieriger könne es werden, wenn Menschen ohne Angehörige länger als erwartet im Krankenhaus bleiben müssten. „Da haben wir bisher immer benötigte Sachen der Leute zusammengepackt und ins Laupheimer Krankenhaus gebracht.“ An anderen Standorten sei das schwerer realisierbar.
Wie sich die Versorgungssituation in Laupheim weiterentwickle hänge nun davon ab, welche ärztliche Versorgung künftig in den Räumlichkeiten der Klinik zur Verfügung stehe, meint Michelis und wünscht sich etwa für ein medizinisches Versorgungszentrum die Initiative der Stadt. Denn: „Wenn das Pflegesystem weiter so betrieben wird, wird es irgendwann kollabieren.“ Auch Ruf ist sich sicher: „Die medizinische Versorgung und Pflege der älteren Generation ist eine gesellschaftliche und politische Herausforderung der nahen Zukunft.“ Daher fordert auch sie: „Wir sind an einem Punkt, wo Stadt und Kommunen schauen müssen, die Versorgungssicherheit der Älteren auf den Weg zu bringen.“